Carbisdale Castle ► Was ist aus der Jugendherberge geworden?

Ein Schottland- Besuch ohne eine Übernachtung im Carbisdale Castle war bis in die frühen Jahre dieses Jahrtausends praktisch undenkbar. Hier gibt es hautnah die Atmosphäre, die man mit Schottland verbindet. Hoch über dem Kyle of Sutherland thront das Schloss, das als Wohnsitz für die Duchess Blair of Sutherland zwischen 1906 und 1917 errichtet, aber erst nach dem Tod der Duchess fertiggestellt wurde.

Geschichte des Carbisdale Castle

1889 in zweiter Ehe mit dem Third Duke and 18’th Earl of Sutherland verheiratet, wurde die unbeliebte Lady Blair nach dessen Tod 1892 auf Veranlassung des Sohnes sogar für sechs Wochen ins Gefängnis gesperrt, um den Vollzug des Testamentes zugunsten der Duchess zu verhindern. In einer Übereinkunft sicherte man der Witwe schließlich finanzielle Unabhängigkeit und den Bau eines Wohnsitzes zu – vorausgesetzt dieser würde außerhalb der Grafschaft Sutherland errichtet werden. Lady Blair entschied sich für den Bau auf einer Hügel in der benachbarten Grafschaft Ross- Shire, das man von jedem Ort in Sutherland gut sehen konnte.

1917 wurde Carbisdale Castle nach elfjähriger Bauzeit mit 365 Fenstern – eines für jeden Tag des Jahres – fertiggestellt. Der Turm des Schlosses erhielt drei Turmuhren – lediglich die der Grafschaft Sutherland zugewandte Seite hatte keine Uhr. Lady Blair „wünschte nicht, diesen Menschen dort auch noch die Zeit anzuzeigen“.

Nach einer erneuten Heirat verkaufte Lady Blair das Schloss an Colonel Theodore Salvesen, der norwegische Wurzeln hatte. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg Asyl gewährte Salvesen dem norwegischen König Haakon VII und dem Kronprinzen Olaf Asyl auf Carbisdale Castle. So war das Schloss in seiner vergleichsweise jungen Geschichte sogar mal Königliche Residenz. Am 22. Juni 1941 war Carbisdale Schauplatz einer wichtigen Konferenz, bei der Russland Norwegen zusicherte, das Land nach dem Krieg wieder zu verlassen, sollten russische Truppen auf norwegisches Territorium vordringen müssen. Russland hielt sein Versprechen und zog sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus Norwegen zurück.

Carbisdale Castle – Seit 1945 Highland- Jugendherberge

Nach dem Tod Salvesens vermachte dessen Sohn das Castle dem schottischen Jugendherbergsverband, der es am 2. Juni 1945 für Besucher öffnete. Wie es sich für ein anständiges schottisches Schloss gehört, tauchten auch bald die ersten Geschichten über Geisterbesuche auf. Unabhängig voneinander behaupteten immer wieder Menschen, eine weiße, weibliche Geistererscheinung gesehen zu haben, die als Betty in die Geschichte der Burg einging.  Weiter wurde von Geistererscheinungen berichtet, die als gefallene Soldaten aus der Schlacht um Carbisdale im Jahr 1650 identifiziert werden. Während des Baus des Schlosses wurde zudem angeblich Musik eines Dudelsackspielers aus dem Felsen gehört.

Carbisdale Castle liegt ungefähr zehn Fußminuten von der Bahnstation Culrain entfernt im Wald. Mit dem Auto ist der Weg schwierig zu beschreiben. Am Besten ist es, sich nach Bonar Bridge zu orientieren und von dort der Ausschilderung nach Culrain zu folgen. In Culrain gibt es dann ein paar versteckte Schilder, die auf das Carbisdale Castle hinweisen – oder man fragt ein paar Leute im Ort nach dem Weg.

Wer den Weg durch den Wald hoch zum Castle gefunden hat, wird mit unglaublich tollen Eindrücken belohnt. Nicht nur von außen wird man von dem Anblick schier überwältigt, auch das Innere hat sich trotz seiner „Zweckentfremdung“ als Jugendherberge seine Erhabenheit erhalten. Insbesondere die Galerie in der Halle im Erdgeschoss, in der 19 italienische Marmorstatuen aus dem 19. Jahrhundert ausgestellt sind, ist beeindruckend. Die Weitläufigkeit im Innern des Schlosses garantiert, dass man sich mindestens einmal verläuft.

Auch in der tollen Landschaft rund um das Castle kann man sich übrigens verlaufen. Aus eigener leidvoller Erfahrung rate ich dringend dazu, die ausgeschilderten Wanderwege nicht zu verlassen. Als ich 1996 einmal den Weg um den See im Wald abkürzen wollte, bin ich bis zur Hüfte in einem Moorloch versunken, aus dem ich mich aus eigener Kraft nicht mehr befreien konnte. Ich hatte Glück, dass ich damals mit zwei Freunden unterwegs war, die mich aus dem Schlamassel wieder rausgezogen haben. Kein schönes Gefühl!

Eine Nacht im Spook Room des Carbisdale Castle

Wer im Carbisdale Castle übernachtet, sollte mal versuchen, in Zimmer 218, auch bekannt als „spook room“, unterzukommen, denn dort häufen sich die Berichte von merkwürdigen Vorfällen. Erscheinungen, die nachts um die Betten schleichen, Regen, der durch die geschlossene Decke fällt und Betten, die sich durch den Raum bewegen. Als ich dort war, habe ich auch merkwürdige Geräusche gehört, die allerdings sehr irdischen Ursprungs waren. Der Mensch im Bett über mir hatte einfach furchterregend geschnarcht.

Carbisdale Castle war während seiner Zeit als Jugendherberge, in der über eine Million Besucher im Schloss übernachtet haben, Gastgeber unzähliger Klassenfahrten – auch aus Deutschland. Eigentlich zu jeder Jahreszeit, in der ich dort war, tummelten sich Horden von Schülern dort. Ich kann mich an viele traurige Gesichter erinnern, wenn Abreisetag war.

Carbisdale Castle zwei Mal verkauft

2011 hatte Schottland offenbar einen ungewöhnlich strengen Winter. Jedenfalls ergab es sich, dass es zu zahlreichen Frostschäden an den Wasserleitungen kam. Die Scotish Youth Hostel Association steckte noch zwei Millionen Britische Pfund in die Sanierung des Castle, doch die Schäden weiteten sich immer weiter aus, so dass man sich entschied, den Jugendherbergsbetrieb aufzugeben. Es dauerte dann noch über drei Jahre, bis das Schloss am Ende verkauft wurde.

Unabhängig von dem Castle selbst hatte die SYHA bereits zuvor die Kunstgegenstände über Sothebys in London versteigern lassen. 17 italienische Skulpturen und 36 Gemälde brachten schließlich einen Erlös von 500.000 Pfund. Gegen den Verkauf der Kunstgegenstände hatte sich in der Region Widerstand geregt.

Der Käufer, eine Investmentfirma aus London, hatte schließllich zugeschlagen, als der Preis auf 900.000 Pfund gesunken war. Hochtrabende Pläne, aus dem Schloss ein Luxus Spa mit Swimming Pool zu machen, wurden nie verwirklicht. Auch echte Renovierungen oder Instandsetzungsmaßnahmen fanden nicht statt.

Wer ist Lady Samantha of Carbisdale?

Stattdessen machte die Investmentfirmen, was Investmentfirmen eben so machen. Sie erhöhten den Preis wieder auf 1,5 Millionen Pfund und boten Carbisdale Castle erneut zum Verkauf an. Schließlich wurde die Burg 2022 für 1,3 Millionen Pfund an die Londoner Rechtsanwältin Samantha Kane verkauft. Lady Samantha of Carbisdale, wie sie sich nun nennt, hat eine Geschichte, die sie selbst als „colourful“ bezeichnet. In den 1980’er Jahren kam sie als irakischer Student Sam Hashimi nach Großbritannien, machte sich einen Namen mit Immobiliengeschäften und scheiterte 1989 mit einem Übernahmeversuch des Fußballclubs Sheffield United.

Sie ist heute der vermutlich einzige Mensch auf der Welt, der drei Mal das Geschlecht wechselte. Aus Sam Hashimi wurde zum Schock der Familie Samantha Kane, die – erschüttert über die Respektlosigkeit gegenüber Frauen – eher aus dem Kopf heraus als aus dem Herzen die Geschlechtsumwandlung rückgängig machen ließ. Gänzlich rückgängig machen ließ sich das am Ende freilich nicht, denn was weg ist, ist weg. Um die Sache abzukürzen: Am Ende siegte dann doch das Herz und sie ließ eine dritte Geschlechtsumwandlung durchführen. Mehr lest ihr über die schillernde Persönlichkeit der neuen Schlossbesitzerin hier.

Was ist aus Carbisdale Castle geworden?

Auch wenn 1,3 Millionen Pfund nach einem Schnäppchen klingt in einem Land, in dem man für das Geld in größeren Städten ein Appartment kaufen kann – die geschätzten Instandsetzungskosten sollen sich auf zehn Millionen Pfund belaufen. Und dabei sind die Unterhaltskosten eines 20- Zimmer- Schlosses in Zeiten steigender Energiekosten noch nicht berücksichtigt. Carbisdale Castle hat zwar dicke Mauern aber keine Isolierverglasung.

Geht ihr heute auf die Webseite carbisdalecastle.com, so erfahrt ihr, dass das Schloss heute ein exklusiver privater Club ist. Ob dieser Club auch schon in der Realität existiert oder zunächst nur mal auf der Webseite, ist unklar. Mich persönlich würde wundern, wenn das Schloss nach über zehn Jahren Leerstand überhaupt schon wieder voll bewohnbar wäre. Auf der Webseite wird die „King Haakon Suite“ und der Duchess Wing für Übernachtungen offeriert – ohne in Details zu gehen. Die wenigen Innenfotos auf der Webseite zeigen die öffentlichen Bereiche so, wie ich sie das letzte Mal vor etwa 15 Jahren gesehen habe. Im Außenbereich scheint immerhin ein Whirlpool installiert worden zu sein. In Interviews aus Dezember 2022 hatte Lady Samantha deutlich gemacht, dass sie keinen Hotelbetrieb plane. Vielmehr solle es kleinere Events geben.

Es scheint, als würde sich die Neubesitzerin vor allem einen persönlichen Traum erfüllen und nicht von der Überlegung getrieben zu sein, Carbisdale als profitables Business zu sehen. Für Backpacker und Schottland- Freunde ist das ein großer Verlust. Hier gibt es eine ausführliche Einführung zu Schottland.

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Carbisdale Castle – Fazit

Es war eine schöne Zeit dort, doch das Carbisdale Castle Youth Hostel ist seit einigen Jahren Geschichte. Glücklich sind die, die Gelegenheit hatten, dort ein paar Nächte zu verbringen.

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Wer schreibt denn hier?

Kai hat sich 2015 nach Jahren des Reisens schrittweise aus Deutschland verabschiedet und lebt seitdem die meiste Zeit des Jahres in Asien. In seinem früheren Leben hat er 10 Jahre in der Arbeits- und Sozialrechtsberatung gearbeitet.