Aktuell werden jede Menge Flüge von Airlines annuliert oder storniert und viele fragen sich: Muss mir die Airline die vollen Flugkosten für stornierte Flüge erstatten oder muss ich mich mit einem Gutschein abfinden lassen. Obwohl vieles in Corona- Zeiten unklar ist, ist die Antwort auf diese Frage einfach: Ja, ihr habt Anspruch auf volle Erstattung eurer Ticketkosten, wenn die Airline euren Flug storniert.
Die Rechtsgrundlage, in der Ansprüche von Flugpassagieren bei Flugverspätung, Stornierung oder Umbuchung geregelt sind, ist die EU- Fluggastechteverordnung genannte Verordnung 261/2004. In normalen Zeiten ist die Verordnung interessant, weil sie euch einen Anspruch auf Entschädigung bis zu 600 Euro für Flüge mit mehr als drei Stunden Verspätung zugesteht. Doch in Zeiten von Coronakrise werden plötzlich sogar iel elementarere Rechte von Flugpassagieren in Frage gestellt. So sind sehr viele Airlines dazu übergegangen, Passagieren die Erstattung der Ticketkosten zu verweigern und ihnen stattdessen einen Gutschein anzubieten, teilweise – wie bei der Lufthansa- Gruppe – mit einem Bonus von 50 Euro.
Airlines wären derzeit nicht verpflichtet, Ticketkosten monetär zu erstatten, weil es sich um höhere Gewalt handele, wird behauptet. Das habe sogar die Bundesregierung jetzt beschlossen.
Erstattung von stornierten Flügen: Wie ist die Rechtslage?
Die EU Verordnung 261/2004 ist nicht außer Kraft gesetzt. Sie gilt also weiterhin ganz normal fort. Darauf wurde auch von der zuständigen EU- Kommissarin unlängst noch einmal hingewiesen. Es sind auch keine Änderungen geplant. Was die Bundesregierung gemacht hat, war eine Erklärung, dass sie eine Gutscheinlösung gut finden würde – nicht mehr. Es gibt kein Gesetz, das durch den Bundestag gebracht worden wäre. Selbst wenn ein Gesetz beschlossen würde, würde dies keine Rechtskraft entfalten, weil EU- Recht hier Vorrang hat. Wir können also festhalten: Es gilt weiterhin die EU Fluggastrechteverordnung in vollem Umfang.
Kann sich die Airline auf höhere Gewalt berufen und die Erstattung der Ticketkosten damit verweigern? Nein, denn höhere Gewalt kann lediglich Entschädigungsansprüche z.B. wegen Flugverspätungen ausschließen. Tatsächlich dürften die meisten Flugausfälle auf höhere Gewalt wie z.B. Einreisebeschränkungen zurückzuführen sein, so dass man tatsächlich keine zusätzliche Entschädigung wird beanspruchen können.
Die Entschädigung hat aber nichts mit der Erstattung zu tun. Einen Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Fluges, den die Airline storniert hat, habt ihr immer. Die Airline darf euch stattdessen auch einen Gutschein anbieten, aber laut Artikel 8 der VO 261/2004 habt ihr Wahlfreiheit. Bei der Wahl sollte man natürlich auch berücksichtigen, dass ein Gutschein nicht gegen Insolvenz abgesichert ist. Wenn die Airline die Krise nicht überleben sollte, ist euer Gutschein im Zweifel noch einen Betrag wert, der ungefähr gegen Null geht. Natürlich gibt es Airlines mit einem deutlich geringeren Insolvenzrisiko. Dass die Lufthansa- Gruppe in Gänze insolvent wird, erscheint mir derzeit noch unwahrscheinlich, aber vor ein paar Wochen habe ich es auch für unwahrscheinlich gehalten, dass der gesamte internationale Flugverkehr faktisch zum Erliegen kommt.
Die EU Verordnung gilt übrigens für alle Flüge, die in der EU starten (also auch für Fluglinien, die ihren Sitz nicht in der EU haben) und für Flüge von EU- Airlines, die in Drittländern starten und in die EU gehen.
Wird der Hinflug storniert, müssen die gesamten Ticketkosten erstattet werden, weil der Rückflug dann keinen Sinn mehr ergibt. Nicht ganz so eindeutig ist die Rechtslage, wenn nur der Rückflug storniert wurde, nachdem man den Hinflug noch antreten konnte. Hier kann es sein, dass nur der Rückflug zu erstatten ist. Zu den Ticketkosten gehören übrigens auch Extras wie Gebühren für Sitzplatzreservierungen, Extra- Mahlzeiten etc.
Auf keinen Fall selbst den Flug stornieren
Viele Airlines warten mit der Stornierung eines Fluges bis kurz vor dem Abflugtermin. Das entspricht der Strategie eines Pokerspielers. Wer zuerst zuckt, hat verloren. Airlines setzen darauf, dass ihr die Nerven verliert und von euch aus den Flug storniert. In diesem Fall ist die Airline fein raus, denn wenn ihr den Flug storniert, habt ihr keine Erstattungsansprüche; die Airline muss euch lediglich die Steuern und Gebühren erstatten, die gar nicht anfallen, wenn ihr nicht fliegt (wie die Airport Tax). Das ist allerdings nur ein kleiner Teil der Ticketkosten. Deshalb solltet ihr unbedingt vermeiden, den Flug selbst zu stornieren. Wartet einfach ab, denn die Chance, dass der Flug storniert wird, ist aktuell ja bei den meisten Airlines bis zu 90% hoch.
Schaut auch auf der Webseite der Airline unter „Meine Buchungen“, ob der Flug möglicherweise schon längst storniert ist und die Airline nur „vergessen“ hat, euch zu informieren. Ist mir letzte Woche gerade passiert. Mein Flug von Bangkok nach München war schon seit zwei Wochen gestrichen, aber keine Nachricht von der ausführenden Airline.
Wenn euer Flug einer der wenigen ist, die tatsächlich stattfinden, ihr aber nicht fliegen wollt, könnt ihr auch am letzten Tag noch stornieren. Die meisten Airlines haben allerdings auch relativ großzügige Umbuchungsmöglichkeiten. Nur Anspruch auf eine Erstattung habt ihr dann eben nicht.
Müssen Airlines stornierte Flüge erstatten – Fazit
An der Rechtslage hat sich durch Corona nichts verändert. Die Fluggesellschaften sind auch weiterhin verpflichtet, euch die Ticket- Kosten für stornierte Flüge vollständig zu erstatten, wenn sie selbst für den Storno verantwortlich sind. Wenn die Fluggesellschaft sich querstellt, gibt es verschiedene Servicedienstleister wie Fairplane, die euer Geld gegen eine prozentuale Beteiligung zurückholen.
Wenn ihr verreist, solltet ihr unbedingt darauf achten, dass ihr mit einer Auslandskrankenversicherung ausreichend abgesichert seid. Wir stellen euch die drei beliebtesten Langzeit- Auslandskrankenversicherungen für Backpacker vor. Außerdem empfehle ich euch die Lektüre meiner aktualisierten Übersicht zu den besten kostenlosen Reisekreditkarten 2020.
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Wer schreibt denn hier?
Kai hat sich 2015 nach Jahren des Reisens schrittweise aus Deutschland verabschiedet und lebt seitdem die meiste Zeit des Jahres in Asien. In seinem früheren Leben hat er 10 Jahre in der Arbeits- und Sozialrechtsberatung gearbeitet.